Plan A

Pflegestudie: Bedarf an Pflegedienstleistungen steigt bis 2050 enorm

Die Volkswirtin Ulrike Famira-Mühlberger (WIFO) erläuterte im Karl-Renner-Institut ihre Forschungsergebnisse. Vor allem im ländlichen Raum drohen aufgrund der demografischen Entwicklung drastische Engpässe bei der Pflege.

„Es wird mehr Personen zu pflegen geben, aber weniger Personen, die pflegen können, da das Pflegepotenzial in der Familie sinkt“, betont Famira-Mühlberger. Beim Pflegegeld sei von Steigerungsraten zwischen 2015 und 2025 von 12 Prozent auszugehen „und zwischen 2025 und 2050 von 67 Prozent“. Bei den Pflegedienstleistungen, also jenen Kosten, die von Ländern und Gemeinden getragen werden, „rechnen wir mit Steigerungsraten von 48 Prozent bis 2025 und zwischen 2025 und 2050 von 360 Prozent“, erklärt Famira-Mühlberger.

Die stärksten Anstiege sind in Vorarlberg, Salzburg und Tirol zu verzeichnen. Die geringsten Steigerungsraten gibt ews in Wien, Burgenland und der. „Das hängt mit den Migrationsströmen in die Städte zusammen, die das Durchschnittsalter senken, aber auch mit der Bevölkerungsstruktur. So gibt es in Vorarlberg etwa eine deutliche Zunahme der Hochaltrigkeit“, sagt die Wissenschafterin. Zu bedenken sei, dass es einen „richtig rapiden Anstieg“ aufgrund der Pflegebedürftigkeit der in den 60er Jahren geborenen „Baby-Boomer“-Generation. Das werde 2035-2050 soweit sein. „Da stellt sich die Frage der Finanzierung beziehungsweise der Vorbereitung auf diese Zeit“, sagt Famira-Mühlberger.

Österreich bei Gesamtausgaben im Mittelfeld

Im internationalen Vergleich ist Österreich bei den Gesamtausgaben im Mittelfeld der europäischen OECD-Länder. Es gibt in Österreich eine hohe Verbreitung der Pflege zuhause. Andererseits ist der Versorgungsgrad mit professionellen Pflegediensten unterdurchschnittlich, sowohl was den mobilen als auch den stationären Bereich betrifft. „Ein höheres Gewicht wird in Österreich auf Geldleistungen statt Sachleistungen gelegt. In anderen Staaten gibt es einen größeren Ausgabenanteil für stationäre Pflege“, so Famira-Mühlberger.

Ausbau der stationären Pflege unumgänglich

„Angesichts der Daten wird in Österreich auch beim politischen Ansatz ‚mobil vor stationär‘ ein Ausbau der stationären Pflege unumgänglich sein.“ Das hänge damit zusammen, dass ca. 50 Prozent der Männer und zwei von drei Frauen der „Baby-Boomer“-Generation mindestens 85 Jahre alt werden.

Auch müsse man die Pflegeberufe attraktivieren und die Organisationsstrukturen in diesem Bereich verbessern, um einem bevorstehenden Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.

Föderale Strukturen führen zu mangelnder Vergleichbarkeit

Für besonders wichtig hält die Studienautorin den Ausbau alternativer und teilstationärer Betreuungsformen und eine Harmonisierung der Leistungsstandards der Bundesländer. „Die föderalen Strukturen können hier Ineffizienzen begünstigen“, sagt Famira-Mühlberger. Auch führen die intransparente Datenlage und die mangelnde Vergleichbarkeit zu einem erschwerten Lernprozess durch Best-Practice-Beispiele.

Breite Diskussion über die Gestaltung des österreichischen Abgabensystems

Die Forscherin würde sich „ein Gesamtpaket der künftigen Finanzierungsmöglichkeiten“ wünschen und warnt vor der Diskussion und Umsetzung von Einzelmaßnahmen als „nicht zielführend“. Notwendig sei eine langfristige Strategie „jenseits kurzfristiger Gegenfinanzierungsmaßnahmen“. Die Abschaffung des Pflegeregresses sei „eine richtige Maßnahme, für die wir uns immer ausgesprochen haben“, die fehlende Gegenfinanzierung wurde aber bemängelt. Diese und generell die Ausgaben für die Pflege sollten eingebettet sein in „eine breite Diskussion über die Gestaltung des österreichischen Abgabensystems“.

Video des Livestreams des Vortrags und der Podiumsdiskussion auf der Website des RI