SONDERSITZUNG

Rendi-Wagner: „Wer blind folgt, kann nicht führen, Herr Bundeskanzler!“

Bild: Screenshot ORF

Unsere Vorsitzende, Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner forderte in ihrer Rede im Parlament den neuen Bundeskanzler Schallenberg auf, eine deutliche Trennlinie zum „System Kurz“ zu ziehen.

Zur Regierungserklärung im Nationalrat in Folge der schweren Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP und Hausdurchsuchungen im Kanzleramt und der Lichtenfelsgasse hat unsere Bundesparteivorsitzende, Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner das türkise „System Kurz“ scharf kritisiert und den frisch angelobten Kanzler Schallenberg eindringlich dazu aufgerufen, sich von seinem Vorgänger zu lösen.

Die Rede unserer Vorsitzenden, Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner in der Sondersitzung im Parlament am 12. Oktober 2021:

„Vielen Dank, Herr Präsident, Herr Bundeskanzler. Sehr geehrte Bundesregierung und Damen und Herren! Bevor ich mit meiner Rede beginne, ist es dringend notwendig, ad hoc auf Ihre Rede einzugehen, Herr Bundeskanzler. Sie wurden gestern als Bundeskanzler der Republik Österreich angelobt und nicht als Obmann der ÖVP. Als Bundeskanzler ist es Ihre klare Verantwortung und Aufgabe, für alle Parteien dieses Parlaments da zu sein, für alle Menschen und nicht nur für die ÖVP. Und es steht Ihnen in dieser Rolle schon gar nicht zu, parlamentarische Instrumente wie einen Misstrauensantrag in Frage zu stellen, das Parlament zu belehren, sondern es mit Respekt zu behandeln.

Kurz stürzt Regierung erneut in eine schwere Krise

Wir sind heute hier im Parlament zusammengekommen, weil Sebastian Kurz die Regierung in eine schwere Krise gestürzt hat. Das ist nicht die erste, nicht die zweite, es ist die vierte Regierungserklärung in diesem Haus seit Sebastian Kurz, seit 2017. In diesen vier Jahren hat Sebastian Kurz zwei Koalitionen gesprengt. 2017 die rot-schwarze, weil sie für seinen Aufstieg zur Macht hinderlich war. 2019 die türkis-blaue, weil sie ihm nicht mehr nützlich war. Und eine dritte, die türkis-grüne, wurde von ihm beinahe gesprengt. Seitdem er an Macht ist, kommt das Land nicht mehr zur Ruhe. Worum geht es jetzt aktuell? Es geht um strafrechtliche Ermittlungen, um schwerste Vorwürfe gegen den ÖVP-Obmann und sein engstes Vertrauten-Team. Es wird ihm und seinem innersten Machtzirkel vorgeworfen, im Zentrum eines korrupten Systems zu sein und den Machtkampf in seiner Partei mit illegalen Mitteln geführt zu haben, rechtswidrig Steuergelder missbraucht zu haben. Um die eigene politische Karriere zu befördern. Das steht im Raum. Das wiegt schwer.

Und weil die Staatsanwälte dem System Kurz in den letzten Monaten auf den Fersen sind, ist die Justiz zum Feindbild geworden, einer türkisen ÖVP, die nicht davor zurückschreckt, die Justiz frontal anzugreifen, zu attackieren, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte unseres Landes zu diffamieren.

Kurz verhinderte aus Machtgier Ausbau der Kinderbetreuung

Die aktuellen Enthüllungen zeigen auch, wie Kurz 2016 und 2017 vorgegangen ist, um an die Macht zu kommen. Der damalige Kanzler Kern und der ÖVP-Vizekanzler Mitterlehner sollten keinen Erfolg haben. Mitterlehner musste weg – koste es, was es wolle! Dafür war Kurz bereit, seiner Partei zu schaden und wichtige Projekte für Österreich zu sabotieren. Es war damals politisches Ziel von Kern und Mitterlehner, mehr als eine Milliarde Euro in den Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren. Das ist dringend notwendig – bis heute. Der damalige Außenminister Kurz schrieb seinem Handlanger im Finanzministerium in einem Chat: „Geht gar nicht! Kannst Du das aufhalten?“ und kündigte an, die Bundesländer gegen dieses wichtige Vorhaben „aufzuhetzen“. Wofür? Für den eigenen Vorteil wurde ein Vorteil für hunderttausende Familien, Kinder und Frauen in Österreich verhindert. In all dem zeigen sich ein Sittenbild der Skrupellosigkeit, ein Bild des Machtmissbrauchs und gleichzeitig schwerste Verstöße gegen unseren Rechtsstaat. Diese Fakten sind erschütternd und sie sprengen Maßstäbe.

Kurz bleibt Schattenkanzler

Sehr geehrte Damen und Herren, der amerikanische Präsident Abraham Lincoln hat einmal gesagt: „Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, oder das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.“ Die gute Nachricht ist: Diese Weisheit setzt sich gerade in Österreich durch.

Immer deutlicher werden diese jahrelangen türkisen Verstöße gegen die politische Kultur unseres Landes und schwerste Verstöße gegen Recht und Rechtsstaat werden sichtbar. Seit dem Wochenende ist klar, dass der Druck auf Kurz zu groß geworden ist und er als Kanzler gehen musste.

Aber Kurz bleibt ÖVP-Parteichef und ist ÖVP-Klubobmann im Parlament geworden, ohne Abgeordneter zu sein. Auch ein Novum in der Geschichte der Zweiten Republik. Kurz ist Klubobmann im Parlament, dem Hohen Haus, jenem Herzstück der Demokratie. Das Parlament, für das er noch nie einen Funken an Respekt gezeigt hat.

Diese heutige Regierungsumbildung ist eine Farce. Denn es gibt einen, der als „Schattenkanzler“ weiter die Fäden zieht. Das sind nicht Sie, Herr Bundeskanzler. Das ist Sebastian Kurz. Das Kurz-System regiert weiter – und damit drohen weiter Chaos, Instabilität und Angriffe auf Justiz und Rechtsstaat. All das wird weiter auf der Tagesordnung stehen.

Bundeskanzler muss seine Verantwortung ernst nehmen

Herr Bundeskanzler Schallenberg, was die Kanzler Österreichs in den 75 Jahren Zweite Republik – mit Ausnahme Ihres Vorgängers – alle geeint hat, ist der Respekt für die Säulen unserer Demokratie. Und damit auch vor dem Rechtsstaat. Ihre gestrigen Aussagen, dass Sie die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft für falsch halten, lassen leider nicht darauf schließen, dass Sie sich Ihrer Verantwortung für Österreich und den Rechtsstaat bewusst sind. Ich halte Ihre gestrigen Aussagen für ihren ersten schweren Fehler. Damit haben Sie bereits an Ihrem ersten Tag sehr viel Vertrauen verspielt. Es steht Ihnen nicht zu, die Arbeit der Justiz auf diese Art und Weise einfach vom Tisch zu wischen und die Feststellungen der Staatsanwaltschaft einfach in Frage zu stellen. Das lässt den notwendigen Respekt für Rechtsstaat und Justiz vermissen – an Ihrem ersten Tag. Und wenn Sie heute wieder betonten, dass sie sehr eng mit Kurz zusammenarbeiten werden, dann untermauert das Ihren Status: Kanzler von Kurz‘ Gnaden. Herr Bundeskanzler, wollen Sie daran mitwirken, das verlorene Vertrauen in die Regierung wiederherzustellen, dann ziehen Sie eine entschiedene Trennlinie zum „System Kurz“.

Denn, wer blind folgt, kann nicht führen! Wenn Sie Verantwortung ernst nehmen, dann trennen Sie sich von allen unter schweren Korruptionsverdacht stehenden Mitarbeitern von Sebastian Kurz. Setzen Sie glaubwürdige Taten, um diese beispiellosen türkisen Skandale aufzuklären. Warten wir ab, was in den nächsten Tagen und Wochen so kommt. Ich verspreche Ihnen, wir werden sehr genau darauf achten, wie Sie sich, Herr Bundeskanzler, und Ihre Regierungsmannschaft verhalten werden. Welche Maßstäbe Sie anwenden werden. Und wie Sie die lückenlose Aufklärung dieser zahllosen Korruptionsvorwürfe um Sebastian Kurz sicherstellen werden. Wir werden genau darauf achten, wie Sie mit der Justiz und dem Rechtsstaat unseres Landes umgehen werden. Ich sage Ihnen schon heute: Sollte es nur den kleinsten Anschein geben, dass Sie das „System Kurz“ fortsetzen, Aufklärung sabotieren oder den Rechtsstaat diffamieren, dann müssen Sie mit unserem schärfsten Widerstand rechnen.

Österreich hat sich Besseres verdient! Vielen Dank!“

VIDEO: Die Rede unserer Vorsitzenden, Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner zur Regierungserklärung im Parlament. Jetzt anschauen!

Alle Bundeskanzler seit 1945 einte der Respekt vor den Säulen unserer Demokratie und dem Rechtsstaat – außer Sebastian…

Posted by Pamela Rendi-Wagner on Tuesday, October 12, 2021

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