Die lange angekündigte Strompreisbremse der Bundesregierung ist bei weitem nicht der notwendige große Wurf. Die Steuerzahler*innen zahlen sich ihre Entlastung selbst. Und von der Teuerung besonders stark betroffene Gaskund*innen werden einfach im Stich gelassen.
Mit der angekündigten Strompreisbremse liefert die türkis-grüne Regierung wieder einmal nur Stückwerk statt den notwendigen großen Wurf. Es gibt kein Konzept, um die Inflation zu bekämpfen und die hunderttausenden Haushalte, die mit Gas heizen oder kochen, gehen leer aus. Die SPÖ hat ein 5-Punkte-Gesamtpaket zur Senkung der Preise vorgelegt, das u.a. auch einen Deckel bei den Gaspreisen und als Gegenfinanzierung eine Abschöpfung der Milliarden-Übergewinne vieler Energieerzeuger vorsieht:
- Strom- und Gaspreisdeckel: Der Deckel soll sofort in Kraft gesetzt werden und nach drei Tarifstufen sozial gestaffelt sein.
- Übergewinn-Abschöpfung: Die ungerechtfertigten Milliarden-Übergewinne vieler Energieerzeuger müssen abgeschöpft und in Maßnahmen gegen die Teuerung sowie den Ausbau erneuerbarer Energien investiert werden.
- Aussetzen des Merit-Order-Systems: Das teuerste Kraftwerk, das zur Deckung der Stromnachfrage benötigt wird, bestimmt den Preis. Auf EU-Ebene muss sich die österreichische Bundesregierung für einen Markteingriff gegen die exzessive Preisentwicklung in Europa positionieren. Der nicht mehr funktionierende Markt muss neu geregelt werden.
Die Bundesregierung ist bei all diesen wichtigen und notwendigen Maßnahmen untätig und kommt über das Stadium des Überlegens und Anschauens nicht hinaus.
Wo die Regierung untätig ist:
- Die Gaspreise explodieren – dagegen tut die Regierung nichts. Die Gaspreise steigen weiter ins Unermessliche. Der dramatisch hohe Gaspreis macht bis zu drei Viertel der Teuerung bei Energie aus.
- Strompreisbremse kommt viel zu spät. Das Geld kommt im Winter, die Rechnungen sind bereits jetzt horrend.
- Die Regierung liefert eine Mogelpackung. Die Steuerzahler*innen zahlen sich ihre Strompreisbremse selbst.
- Die Regierung hat keine Gegenfinanzierung für die Strompreisbremse. Sie weigert sich, die Milliarden-Übergewinne vieler Energieerzeuger abzuschöpfen, um damit Anti-Teuerungsmaßnahmen zu finanzieren.
- Das „kranke“ Preisbildungssystem auf EU-Ebene bleibt weiter bestehen – und damit die exzessive Preisentwicklung. Viele Energieerzeuger verrechnen überhöhte Preise. Der Energiemarkt funktioniert nicht mehr, die Regierung hat bisher alle Änderungen auf EU-Ebene bekämpft. Hier muss rasch eingegriffen werden.
Regierung verweigert Zusammenarbeit
Im Vorfeld des EU-Energieminister*innenrats am 9. September kritisierte unser stv. Klubvorsitzender Jörg Leichtfried in einer Pressekonferenz den fehlenden Willen zur Zusammenarbeit seitens der Regierung: „Die Bundesregierung schottet sich ab. Am Freitag startet der Gipfel der Energieminister*innen in der EU. Wir haben vorgeschlagen, uns im EU-Unterausschuss zusammenzusetzen und zu diskutieren, was es für Vorschläge und Lösungen gibt. Die Regierung hat das abgelehnt.“ Beispielhaft für die verweigerte Zusammenarbeit ist für Leichtfried auch die Situation ums Kraftwerk Mellach vom Verbund. Die SPÖ ging hier mit Gesetzestexten in Vorlage, die eine schnelle Inbetriebnahme des Kraftwerks ermöglicht hätten, ohne die Steuerzahler*innen zu belasten. Von der Regierung komme seit einer Woche nur noch Schweigen. „Messen Sie die Regierung an dem, was sie tut: Von Zusammenarbeit reden, aber sich dann abschotten“, empfiehlt Leichtfried.
Schutz auch für Betriebe und Energieversorger notwendig
Leichtfried fordert auch einen zusätzlichen Schutz für die Betriebe und Energieversorger in Österreich ein: „Ganz Europa zeigt vor, wie das geht. In Deutschland bekommen Betriebe finanzielle Zuschüsse, der Schutzschirm für Energieversorger steht. In der Schweiz wurde gerade etwas Ähnliches eingeführt, ganz ohne parteipolitische Manöver. Bei unserer Bundesregierung geht das nicht. Das ist schädlich für das Land und die Unternehmen“, sagt Leichtfried und empfiehlt Türkis-Grün einen Blick über den Tellerrand: „Die Deutschen haben vorgemacht, wie es geht: Sie finanzieren mit Übergewinnen die Maßnahmen für die Menschen. Sogar die EU-Kommissionspräsidentin schlägt solche Übergewinnbesteuerungen vor. Nehammer sagt, es gibt keine Modelle dafür. Es gibt Modelle und das Interesse der EU, dass das geschieht.“ Die extremen Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich fasst Leichtfried zusammen: „In Deutschland finanzieren die, die Übergewinne machen, die Entlastungsmaßnahmen. In Österreich bekommen die, die Übergewinne machen, auch noch Förderungen aus Steuergeld.“
Hintergrund zur Strompreisbremse der Regierung:
Die durchschnittlichen Erzeugungskosten von Strom aus Wasser-, Solar- oder Windkraftanlagen betragen durchschnittlich etwa 5 Cent je Kilowattstunde. Viele Erzeuger verdienen derzeit also Milliarden, weil sie aufgrund des Merit-Order-Prinzips den Stromkund*innen bis zu 60 Cent pro Kilowattstunde verrechnen. Das teuerste Kraftwerk, das zur Deckung der Stromnachfrage benötigt wird, bestimmt den Preis, meist ist das ein Gaskraftwerk. Wenn die Regierung nun einen Deckel für einen Stromgrundverbrauch von 10 Cent je Kilowattstunde einzieht, bezahlen die Kund*innen zwar teilweise „nur noch“ das 2-Fache statt das 12-Fache der Erzeugungskosten, doch die Differenz zahlen erst recht wieder die Menschen über ihre Steuerleistungen. In Deutschland zahlen die Strompreisbremse die Energiekonzerne durch Abschöpfung der Übergewinne.