Bildung als Schlüssel zur Freiheit

Die Zukunftsfragen von morgen lassen sich nicht mit dem Wissen und dem Denken von heute beantworten. Umso mehr sind wir als Gesellschaft darauf angewiesen, Kreativität und Wissenserwerb zu fördern. Bildung muss begeistern. Dafür müssen dringend neue Wege beschritten werden.

Die Zukunftsfragen von morgen lassen sich nicht mit dem Wissen und dem Denken von heute beantworten. Umso mehr sind wir als Gesellschaft darauf angewiesen, Kreativität und Wissenserwerb zu fördern. Bildung muss begeistern. Dafür müssen dringend neue Wege beschritten werden.

(1) Die beste Bildung für alle. Bildung ist der Schlüssel zur Welt. Sie ist Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben und ein Mittel zur Emanzipation. Sie macht uns zu kritikfähigen, freien und mündigen Menschen. Sie ermöglicht uns den Zugang zu erfüllender Arbeit. Bildung ist die Basis für gesellschaftliche Teilhabe und damit für eine demokratische und solidarische Gesellschaft. Sie ist die Grundlage für ein gutes Leben für jeden Menschen und das Fundament für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung sowie den Wohlstand unserer Gesellschaft. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind eine Kultur- und Bildungsbewegung, die dafür kämpft, dass alle Menschen ihr Recht auf Bildung verwirklichen können – nicht nur in der Jugend. Lebensbegleitendes Lernen hat für die Sozialdemokratie einen hohen Stellenwert, weil es für die persönliche und berufliche Verwirklichung aller Menschen eine unerlässliche Voraussetzung sowie zugleich Triebfeder für sozialen Fortschritt ist.

(2) Bildung ist mehr. Unser Bildungssystem darf sich nicht nur auf das Erlernen von Grundkompetenzen und kognitivem Wissen beschränken. Es muss darüber hinaus soziale und kulturelle Fertigkeiten – wie Kreativität, Empathie, Solidarität, Toleranz, Verantwortung, selbständiges Denken und Kritikfähigkeit – vermitteln. Ob als Elternteil oder als PädagogInnen: Erwachsene sollen dabei das Kind als anspruchsvolle und glaubwürdige PartnerInnen begleiten. Jedes Kind ist gleich viel wert, kein Kind darf zurückgelassen werden. Die Zukunft unserer Kinder darf nicht von der sozialen Schicht, dem Geburtsort, dem Vermögen oder dem Einkommen der Eltern abhängen. Bildung darf nie ein Privileg der Besitzenden sein. Wir kämpfen daher für ein öffentliches, frei zugängliches, inklusives Bildungssystem, das allen Kindern gleiche Chancen garantiert und bereits die Jüngsten individuell und bestmöglich fördert. Vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung stehen wir für inklusive Räume, in denen der Wechsel zwischen Bildungs- und Ausbildungswegen offen steht und jeder Mensch das Recht auf mehr als eine Chance hat, den eigenen Interessen zu folgen.

(3) Emanzipatorische Elementarpädagogik notwendiger denn je. Wir wollen kindergerechte Lebens- und Lernräume schaffen. Kindergärten sind Bildungseinrichtungen, in denen Kinder voneinander lernen, weil ihre Neugierde angestachelt wird. Hier werden Grundkompetenzen früh gestärkt sowie die Sprach- und Sozialkompetenz verbessert. Das verhindert soziale Benachteiligungen, die sich sonst schon ab dem Schuleintritt verfestigen. Gute Elementarpädagogik ist daher der wichtigste Schlüssel im Kampf um Chancengerechtigkeit. Wir wollen eine Ausbauoffensive im elementarpädagogischen Bereich – mit flächendeckenden, qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen, ganztägig geöffnet, ohne Schließtage v. a. in den Schulferien und öffentlich finanziert. Hier gibt es viel zu tun: Ein bundesweiter Qualitätsrahmen, eine Ausbildung der ElementarpädagogInnen auf Hochschulniveau, die angemessene Entlohnung dieser Fachkräfte, kleinere Gruppen, ein Rechtsanspruch auf einen Gratis-Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr sowie zwei verpflichtende Gratis-Kindergartenjahre garantieren, dass allen unseren Kindern die individuelle Entfaltung ihrer Persönlichkeiten ermöglicht wird.

(4) Für eine Schule der Demokratie. Weder Einkommen noch Herkunft, weder Bildungsniveau noch Sozialprestige der Eltern dürfen entscheidend sein für den Bildungsweg von Kindern und Jugendlichen. An den bisherigen Schnittstellen des Bildungssystems braucht es fördernde Übergänge statt Trennung und Aussonderung. Wir wollen eine kostenfreie, gemeinsame Ganztagsschule der 6- bis 14-Jährigen mit innerer Differenzierung nach Interessen, Neigungen und Fähigkeiten der Kinder. Denn unsere Herzen brennen für bessere Schulen. In unserem Schulsystem ist kein Platz und keine Notwendigkeit mehr für private Nachhilfe. Kein Kind muss mehr eine schwere Schultasche nach Hause schleppen, weil die öffentliche Schule der gemeinsame Ort ist, wo alle bestmöglich gefördert werden. Diese Schule ist kein isolierter Ort zum Lernen, sondern ein offener Lebensraum, der auch mit dem gesellschaftlichen Umfeld verwoben ist – in den Stadtvierteln wie in den Dörfern. Unterricht und Freizeitpädagogik sollen einander ergänzen, um den Schulalltag kindgerecht gestalten zu können. Kultur und Kunst sind wie Bewegung und Sport ein selbstverständlicher Teil des Schulalltags, der Kinder und Jugendliche in ihrer kreativen und körperlichen Entwicklung unterstützt, ihnen Abwechslung bietet und Teamdenken fördert. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für eine Lehr- und Lernkultur, die SchülerInnen zur selbständigen Organisation ihrer Arbeit und zur Entwicklung solidarischer Beziehungen befähigt. Dazu gehören auch eine demokratische Schulorganisation und die Möglichkeit, dass alle Schülerinnen und Schüler ihre Vertretung auf allen Ebenen direkt wählen können. Dazu gehört auch ein Schulfach „Politische Bildung“, das politische Teilhabe, Grund- und Freiheitsrechte und unsere demokratische Kultur erfahrbar macht, um über diese Erfahrung das politische Selbstbewusstsein zu bilden. Das ist unser Menschenbild: Dafür zu kämpfen, dass jede und jeder die eigenen Anlagen entwickeln, ein selbstbestimmtes Leben führen, die Stimme erheben und Gehör finden kann.

(5) Wir kämpfen für die Lehrlinge. Eine gute Lehrausbildung braucht transparente und klar definierte Ausbildungsinhalte, die für alle Ausbildungsbetriebe gelten. Das Niveau der Ausbildnerinnen und Ausbildner muss inhaltlich und didaktisch besser werden. Kein Lehrling darf für fachfremde Dienste ausgenutzt werden. Wir bestehen darauf, dass die Jugendlichen im Rahmen ihrer Lehre finanziell abgesichert sind. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit gilt auch in der Lehrausbildung. Diese Finanzierung der Lehrausbildung soll in Zukunft durch Branchenfonds erfolgen. Alle Betriebe sollen in einen Topf einzahlen, aus dem jene, die ausbilden, die Ausbildungskosten erstattet bekommen. Jene, die nicht ausbilden, aber in Zukunft trotzdem von gut ausgebildeten Fachkräften profitieren, leisten damit ihren gerechten Beitrag. Damit finanzieren wir auch unsere überbetrieblichen Lehrwerkstätten. Unser Einsatz für Demokratie und Mitbestimmung bezieht auch die Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen mit ein. Die Wahl von Jugendvertrauensräten und SchulsprecherInnen mit Mitsprachemöglichkeiten ist ein elementares Recht für junge Menschen in Ausbildung. Denn unsere Lehrlinge sind die Fachkräfte von morgen, gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern tragen sie die Zukunft unseres Landes.

(6) Wir wollen die beste Bildung – auch für Erwachsene. Menschen müssen während ihres gesamten Lebens Angebote vorfinden, die ihnen die Möglichkeit geben, sich weiterzubilden. Darauf hat auch der Arbeitgeber und die Arbeitgeberin Rücksicht zu nehmen. Besonders wichtig sind Angebote für jene Personen, die ihre Erstausbildung nicht erfolgreich abschließen konnten und deren Chancen auf eine gesellschaftliche Teilhabe daher stark beeinträchtigt sind. Sie sollen sich Kulturtechniken aneignen und Schul- und Berufsabschlüsse kostenfrei nachholen können.

(7) Außerschulische Kompetenzen anerkennen. Wir setzen uns dafür ein, dass auch Kompetenzen, die nicht in der Schule oder einer anderen formellen Ausbildung erworben wurden, stärker anerkannt werden. Wir wollen, dass es für jede und jeden möglich ist, den Beruf zu ändern und eine zweite Ausbildung zu absolvieren. Erwachsenenbildung ist für uns die Ermächtigung der Lernenden zum selbsttätigen Wissenserwerb. Wir sind der Überzeugung, dass lebensbegleitendes Lernen von allen nur in Zusammenhang mit einem individuellen Rechtsanspruch realisiert werden kann.

(8) Die Sozialdemokratie steht für einen Ausbau der öffentlichen Bildungsinfrastruktur. Gerade Bibliotheken kommt im Verbund mit Museen, Medien, Volkshochschulen und Theatern die Aufgabe zu, den öffentlichen Zugang zu Wissenschaft und Bildung allen Menschen im Land zu ermöglichen. Öffentliche Bibliotheken sind als kulturelle Zentren und Lernorte ein wichtiger Teil regionaler Bildungslandschaften. Angesichts der voranschreitenden Digitalisierung haben sie die Aufgabe, die Lust an Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur überall zu entfachen.

(9) Wir setzen uns für die bessere Förderung der Hochschulen, der Lehre und der Forschung ein. Österreich hat das Potential, ein Innovationszentrum zu sein, ein faszinierendes Laboratorium des Gelingens und des Ausprobierens, doch muss es dazu mehr für Bildung, Forschung und Wissenschaft tun. Die öffentliche Hand hat sicherzustellen, dass die Hochschulen zu einem Ort werden, wo Menschen, unabhängig von Herkunft, Alter und Geschlecht, in einem internationalen Zusammenhang lernen und forschen können. Unser Bekenntnis zum offenen und freien Hochschulzugang beinhaltet, dass wir Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen ablehnen. Die chronische Unterfinanzierung der Universitäten muss beseitigt und der Forschung die benötigten Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Antwort auf die steigenden Studierendenzahlen darf keine weitere Verschulung sein, die das Studium für viele bloß zusätzlich erschwert. Und es bedarf auch eines effektiveren Studienbeihilfesystems, um soziale Schieflagen nicht zu verfestigen. Die Universitäten und Fachhochschulen müssen von den Lehrenden und Lernenden gemeinsam und demokratisch gestaltet werden. Wir brauchen und fördern neugierige, kritische Menschen, die sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind und deren Ideen, Konzepte und Forschungsergebnisse das Streben nach einer freien, gleichen, gerechten und solidarischen Gesellschaft unterstützen.