Die Globalisierung hat die Welt kleiner, aber nicht gerechter gemacht. Es liegt an uns, das zu ändern. Wir Menschen haben es in der Hand, zu bestimmen, wie wir zusammenleben möchten – im Kleinen wie im Großen. Angesichts einer weltweiten Vernetzung, durch die viele Herausforderungen nur mehr international gelöst werden können, müssen wir zugleich lokal und global handeln. Darum ist der Internationalismus der Sozialdemokratie zeitgemäßer denn je.
(1) Eine weltweite Bewegung. Österreichs Sozialdemokratie ist Teil einer weltweiten, internationalen Bewegung, deren Ziel Friede, Freiheit, Selbstbestimmung und ein menschenwürdiges Leben für alle ist. Diese internationale Bewegung muss gestärkt werden. Gerade in Zeiten der Internationalisierung von Kapital, Märkten und Produktionsketten braucht es mehr denn je eine Vernetzung der davon Betroffenen. Gemeinsam und solidarisch organisieren wir den Kampf gegen Ausbeutung und Ungleichheit für eine gerechte Verteilung von Ressourcen und Chancen. Gemeinsam und solidarisch treten wir für demokratische Mitbestimmung, Frieden und umfassende Sicherheit sowie den Schutz vor den zerstörerischen Folgen der Klimaerhitzung ein. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit fortschrittlichen Parteien, sozialen Bewegungen, der Zivilgesellschaft und Gewerkschaften spielt hierbei eine große Rolle.
(2) Konflikte lösen und Frieden sichern. Krisen und Kriege sind Ausdruck und Folge von politischen und wirtschaftlichen Widersprüchen, die oft jahrzehntelang verdeckt und nicht gelöst wurden. Sie sind weder von heute auf morgen entstanden, noch sind ihre Gründe auf einzelne Faktoren, wie etwa religiöse Zugehörigkeiten, zurückzuführen. Sie sind vielmehr Teil immer stärker zusammenhängender Krisenlandschaften, die sich nach und nach aufbauen. Genau deswegen kann und muss Eskalationsspiralen auch frühzeitig entgegengewirkt werden – etwa durch nicht-militärische Maßnahmen, durch Diplomatie und Dialog, aber auch durch die Förderung von Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Eine sozialdemokratische Antwort kann nur lauten: Wir brauchen ein internationales System, das eine Strategie der aktiven Konfliktprävention verfolgt und alle beteiligten Staaten und Gruppen miteinbezieht. Wir brauchen eine Stärkung der Diplomatie und der kollektiven Friedenssicherung im Rahmen der Vereinten Nationen. Dies beinhaltet auch eine Reform des UN-Sicherheitsrates, eine deutliche Verbesserung der damit verbundenen finanziellen und politischen Unterstützung sowie die grundsätzliche Weiterentwicklung der UNO, in der auch die nationalen Parlamente eine stärkere Rolle spielen.
(3) Kriege an den Wurzeln verhindern. Wir sind der festen Überzeugung, dass Krisen und Konflikte letztlich nur politisch gelöst werden können. Umfassender Frieden kann nicht mit militärischen Mitteln erreicht werden. Solange Ursachen wie die Unterdrückung von Minderheiten, Ungleichheit, Staatsversagen, Armut, die Konkurrenz um Ressourcen, negative Folgen der Klimaerhitzung für die Nahrungsmittelproduktion sowie Landnahme („Landgrabbing“) nicht beseitigt werden, wird Frieden nicht dauerhaft bestehen. Krisen und Kriege können verhindert werden. Es müssen aber die konkreten Voraussetzungen und Handlungsalternativen geschaffen werden, um Eskalationen rechtzeitig verhindern zu können.
(4) Kollektive Sicherheit herstellen. Heute ist es dringender denn je, uns auf die zivilisatorischen Errungenschaften des internationalen Völkerrechts zu besinnen und diese weiter zu stärken, Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik wiederzubeleben, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Vereinten Nationen weiterzuentwickeln und sie zu einem Forum für internationale Konsensbildung zu machen. Das Ziel unserer internationalen Politik ist eine Welt, in der die Menschen in Frieden, Freiheit und Würde leben. Jede Nation hat das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung. Es gibt keine nationale Sicherheit ohne europäische Sicherheit und es kann keine europäische Sicherheit ohne globale Sicherheit geben. Krisen vorzubeugen, individuelle Sicherheit zu gewährleisten und ein stabiles Umfeld zu schaffen, bleibt unerlässlich. Die Sozialdemokratie hat neben einem handlungsfähigen System der kollektiven Sicherheit unter dem Vorrang der Vereinten Nationen vitales Interesse an einer effektiven Gemeinsamen Sicherheitspolitik der EU. Internationale Friedenseinsätze und eine kohärente Außen- und Entwicklungspolitik, die unsere Interessen mit den Lebensinteressen anderer verbindet, sind wesentliche Schlüssel zu Stabilität und Frieden auf der Welt.
(5) Frieden schaffen ohne Waffen. Die Welt rüstet auf. Die globalen Ausgaben für Militärgüter erreichen neue Höchstwerte. Das erschwert die Suche nach friedlichen Lösungen für Konflikte und heizt Krisen weiter an. Es wächst damit auch eine Branche, die äußerst anfällig für Korruption ist und die ihre Gewinne auf Kosten von menschlichem Leben und Leid macht. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für eine Umverteilung weg von Rüstungsausgaben hin zur ausreichenden Finanzierung der Bewältigung globaler Herausforderungen. Wir stehen für die Ächtung und das Verbot aller Massenvernichtungswaffen – egal ob chemisch, biologisch oder atomar. Und wir bekennen uns zu einem strengen Außenwirtschaftsgesetz, das Waffenexporte aus Österreich in Kriegs- und Krisengebiete sowie in Staaten, die Menschenrechte missachten, verbietet.
(6) Fluchtursachen bekämpfen, Menschen in Not helfen. Viele Menschen müssen unfreiwillig ihre Heimat verlassen. Erzwungene Migration hat viele Ursachen: Flucht vor Krieg, Gewalt und Hunger oder – im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention – vor individueller persönlicher Verfolgung, etwa aufgrund der Religion oder der politischen Überzeugung. Viele Menschen verlassen ihre Heimat aber auch deswegen, weil sie keine Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben sowie soziale, wirtschaftliche und politische Sicherheit haben. Für sie wird Migration oft zur einzigen Strategie, ihre Lebensgrundlage zu sichern und sich und ihren Kindern eine Zukunft zu ermöglichen. Die Klimaerhitzung wird die Zahl jener, die in ihrem Land keine Existenzgrundlage mehr vorfinden, noch weiter erhöhen. Genau hier müssen wir ansetzen: Wir müssen mit aller Kraft die Ursachen von erzwungener Migration bekämpfen und Lebensgrundlagen vor Ort schaffen, damit sich weniger Menschen auf den Weg machen müssen.
(7) Schutz als gemeinsame Verpflichtung. Wir bekennen uns uneingeschränkt zur Genfer Flüchtlingskonvention und der humanitären Verpflichtung, Geflüchteten vor Terror, Gewalt und Krieg Schutz zu bieten. Wir sind aber auch der Überzeugung, dass, erstens, Schutzsuchenden am besten in Nähe ihrer Heimatländer geholfen werden kann. Hilfe vor Ort heißt Förderung internationaler Flüchtlingseinrichtungen in den Nachbarregionen und -ländern sowie die Unterstützung von Hilfs- und Integrationsmaßnahmen in den Transitländern und den Aufnahmeländern des Globalen Südens. Zweitens müssen Schutzsuchende in der Europäischen Union nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Bevölkerungszahl der Mitgliedstaaten fair verteilt werden. Österreich hat in der Vergangenheit viel geleistet, darauf können wir stolz sein. Unser Ziel ist ein europäisches Asylsystem mit einheitlichen Verfahren und standardisierten Leistungen, die Schaffung und der Ausbau legaler und sicherer Wege für Flüchtlinge nach Europa sowie ein funktionierender EU-Außengrenzschutz.
(8) Die Neutralität stärken, nicht untergraben. Die Neutralität ist zentral für eine eigenständige sicherheits- und friedenspolitische Identität Österreichs. Sie ist eingebettet in ein solidarisches europäisches Gesamtgefüge. Als neutrales Land, das keinen militärischen Bündnisinteressen verpflichtet ist, kann Österreich in Konflikten als glaubwürdige Vermittlerin und Ansprechpartnerin auftreten. Österreich hat darin einen jahrzehntelangen guten Ruf. Dieses Gewicht müssen wir stärker in die Waagschale werfen. Wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Erfüllung dieser Rolle ist das Wissen um Hintergründe und Zusammenhänge. Darum ist eine progressive Friedens- und Konfliktforschung unerlässlich und muss weiter ausgebaut werden.
(9) Für eine Globalisierung, die allen Menschen nützt. Heute steht eine globalisierte Wirtschaft einer nationalstaatlich organisierten Politik gegenüber, der teilweise die Instrumente abhandengekommen sind, um Gewinne so zu verteilen, dass das Gemeinwohl gestärkt wird. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung können wir daher nur in einer intensivierten internationalen Zusammenarbeit gestalten, sowohl zwischen Staaten als auch innerhalb der Zivilgesellschaft, den Gewerkschaften und politischen Parteien. Was wir dafür brauchen, sind internationale Kooperation, wechselseitige Solidarität und faire Regeln, die für alle gelten.
(10) Fairer Welthandel. Wir kämpfen für eine Politik der internationalen Solidarität auf europäischer und globaler Ebene, für einen fairen Welthandel als Gegenentwurf zu einem rein profitorientierten Freihandel. Handel ist kein Selbstzweck. Wir sind davon überzeugt, dass auch der Handel mit Gütern und Dienstleistungen Werten folgen und gesellschaftlichen Zielen dienen muss. Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsstandards, Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz sind für uns keine lästigen Handelsbarrieren, sondern Voraussetzungen für fairen und menschengerechten Handel. Deshalb kämpfen wir für ein gerechtes Welthandelsregime mit klaren Regeln, für ein System, in dem nicht das Wettbewerbsdogma, eindimensionale Wachstumsziele und die Gewinnmaximierung regieren, sondern in dem soziale und ökologische Ziele an oberster Stelle stehen. Wir setzen uns für ein globales Regelwerk ein, in dem Schutzmechanismen für ärmere Regionen möglich sind – etwa Schutzzölle für Billigimporte, um eigene Produktionskapazitäten aufzubauen – und in dem Steuervermeidung und -hinterziehung unterbunden werden. In einem ersten Schritt sind auf europäischer Ebene Menschenrechte, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und hohe Umweltstandards in allen Handelsverträgen und für alle Unternehmen verbindlich zu verankern und auf ihre Einhaltung zu achten. In einem zweiten Schritt müssen diese Grundsätze völkerrechtlich umgesetzt werden.
(11) Verbindliche Regeln für Konzerne. Der größte Teil des Welthandels findet heute innerhalb sogenannter Wertschöpfungsketten statt. Innerhalb dieser globalen Netzwerke werden aus den ursprünglichen Rohstoffen über viele Zwischenschritte und -stationen fertige Verbrauchsgüter. Wir sind also täglich in das Netzwerk der Globalisierung eingewoben, etwa wenn wir Kleidung kaufen, unser Essen kochen oder elektronische Geräte anschaffen. Wie und was wir konsumieren, steht daher in direktem Zusammenhang mit der Art und Weise, wie und wo diese Güter produziert werden. Die niedrigen Preise sind oft teuer erkauft. Die Kosten unserer Lebensweise, sprich die negativen Umweltfolgen und die schlimmsten Formen der Ausbeutung wie Kinder- und Sklavenarbeit, werden an die Ränder der Weltwirtschaft ausgelagert. Diese Prozesse sind komplex und für Konsumentinnen und Konsumenten daher kaum zu durchschauen, die Verantwortung kann und darf daher nicht an individuelle Kaufentscheidungen delegiert werden. Es braucht vielmehr in Österreich, der EU und auf UN-Ebene eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht für Konzerne und ihre Zulieferfirmen. Durch verbindliche Regeln und Bußgelder muss diese Art des unmenschlichen Wirtschaftens unrentabel gemacht werden. Dass wir uns für diese Regeln einsetzen, ist nicht zuletzt ein Gebot der Solidarität mit den Arbeiterinnen und Arbeitern entlang dieser grenzüberschreitenden Güterketten.
(12) Mehr Fairness, weniger Probleme. Unser Ziel ist eine gute Zukunft für alle. Wir setzen uns daher für eine Internationalisierung des Sozialstaatsprinzips als notwendiges Gegenstück zur Internationalisierung der Märkte ein. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen – die „Sustainable Development Goals“ (SDG) – entwickeln einen umfassenderen Begriff von gesellschaftlichem Fortschritt, der weit über simple Kennzahlen wie Wirtschaftswachstum hinausgeht. Diese Ziele stellen den Anspruch auf universelle Gültigkeit. Sie sind somit keine bloße Fortsetzung von Zielsetzungen für den globalen Süden, sondern gelten auch für die Länder des Nordens. Österreich hat sich zur Erreichung dieser nachhaltigen Entwicklungsziele bis 2030 verpflichtet und muss dafür auf nationaler Ebene einen Politikwechsel einleiten. Die SDG sind ein Zeichen der Hoffnung und ein wichtiger Wegweiser für die notwendige sozial-ökologische Transformation der Welt. Wir unterstützen diese Ziele ausdrücklich. Und wir treten parallel dazu weiter dafür ein, dass Österreich seinen Verpflichtungen im Sinne der internationalen Solidarität nachkommt. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden in Regierungsverantwortung die Entwicklungsforschung unseres Landes ausbauen, die Entwicklungszusammenarbeit mit den notwendigen Mitteln – mindestens aber mit 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens – ausstatten und bei akuten Krisenfällen und Katastrophen rasch und zuverlässig Hilfe leisten.
(13) Für verantwortungsvolle Bevölkerungspolitik. Für uns sind die Wahrung der sexuellen und reproduktiven Rechte, der Zugang zu Verhütungsmitteln und die Verbesserung des sozialen und ökonomischen Status von Frauen ein wichtiger Schlüssel für nachhaltige Entwicklung. Sie tragen auch zur Vermeidung von Teenagerschwangerschaften und einer verantwortungsvollen Bevölkerungspolitik bei.