Rede von SPÖ-Vorsitzender Pamela Rendi-Wagner

Bild: SPÖ / Kurt Prinz

Die Rede von SPÖ-Vorsitzender Pamela Rendi-Wagner beim SPÖ-Themenrat „Aufbruch in eine neue Industriepolitik“ im Volltext:

Meine lieben Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde!

Lieber Jens Südekum, vielen Dank fürs Kommen, für diese Inputs, für dieses Gedankenfutter, das du uns hier mitgibst auf diese Reise, die vor uns liegt. Auf diesen Weg, auf den wir uns jetzt in Richtung Zukunft begeben werden.

Und ich glaube, aus diesen Worten von Südekum ist auch hervorgekommen, dass die Notwendigkeit, die Bedeutung dieser Energiewende ja nichts Neues ist. Da wird vielerorts darüber schon ganz viel geredet. Da gibt es schon ganz viele bunte Prospekte zu lesen und es wird viel – und viel zu lange schon nur, das muss man einfach sagen – darüber geredet. Es gibt viele Maßnahmen, die in den letzten Monaten oder Jahren beschlossen wurden. Es gibt auch Klimaziele, wie ich jetzt gehört habe, sehr, sehr viele. So viele wusste ich gar nicht, dass es diese gibt, die formuliert wurden national, aber vor allem auch auf internationaler und auf europäischer Ebene. Aber wenn man dann genauer hinsieht auf diese Maßnahmen, Ziele und Überschriften, dann stellt man fest, dass das bestenfalls Stückwerk ist und das ist genau das Problem. Wenn man nämlich diese Klimaziele ernst nimmt und wir tun das – wir tun das heute mit allem Nachdruck –, wenn man diese Ziele ernst nimmt, dann ist eines schnell klar: Dann wird Stückwerk natürlich nicht reichen.

Dann werden Überschriften nicht reichen, Pressekonferenzen einer Bundesregierung nicht reichen und dann wird auch, und das wurde auch heute klar, Geld alleine nicht reichen. Nein, weil diese Wende eine der größten Umgestaltungsprozesse seit sehr langer Zeit ist, eine der größten Veränderungen seit der Industrialisierung. Für wen? Für alle und alles. Für jeden Einzelnen, für die Gesellschaft, für die Politik, für die Industrie und die Wirtschaft natürlich ganz besonders. Und es wird deswegen auch nicht reichen, einfach Stückwerk als Politik oder politisch Verantwortliche am Weg dieser Wende zu präsentieren, weil auch die Zeit drängt. Und auch das wurde jetzt klar: Die Uhr tickt. Und jetzt gibt es in der Politik wie immer mehrere Möglichkeiten, aus denen man schöpfen kann. Man kann erstens: Abwarten. Man kann sich als Bundesregierung an die Seitenlinie stellen und sagen: „Warten wir mal ab, schauen wir mal, was passiert. Vielleicht geht es gut. Überlassen wir den Umbruch, diese Veränderung ausschließlich den Märkten.” Auch das ist eine Möglichkeit. “Überlassen wir es der Wirtschaft und der Industrie, diese große gesellschaftliche, wirtschaftliche Transformation selbst zu stemmen.” Oder die zweite Möglichkeit: Man geht es an mit einem aktiven, einem modernen Staat, einem Sozialstaat, der einen Willen hat und Entschlossenheit aufweist, der gestalten will und der diese größte Transformation aktiv mitbegleitet, der dafür sorgt, dass es die notwendigen Rahmenbedingungen gibt, von denen wir gerade gehört haben. Rahmenbedingungen, damit die Wende erstens überhaupt gelingt, damit das Ganze ohne soziale Verwerfungen passieren kann. Das ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten natürlich auf diesem Weg entscheidend. Und dass der Wohlstand unseres Landes für alle in unserem Land gesichert bleibt.

Pamela Rendi-Wagner beim Themenrat auf Youtube

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Ich kann euch sagen – das wird für euch alle keine Überraschung sein: Das ist unser Weg und dafür stehen wir. Und natürlich kann man es auch so machen wie die österreichische Bundesregierung: Ein bissl was von allem – vor allem viel Geld rauswerfen, ohne Plan, ohne konkrete Strategie, ohne Ziel. Ja, auch im aktuellen Budget, das vor zwei Tagen im Nationalrat in Wien beschlossen wurde, sieht man diese Strategie- und Planlosigkeit leider einmal mehr.

Apropos Bundesregierung: Jetzt könnte man natürlich sehr lange auf einem Themenrat der Partei über die österreichische Bundesregierung reden. Man könnte darüber reden, warum all das, was wir heute besprechen, nicht schon längst in den letzten Monaten passiert ist – vielleicht deswegen, weil die ÖVP mehr mit sich selbst beschäftigt ist und war und sein wird. Beschäftigt ist mit zahlreichen Ermittlungsverfahren – so viele, wie es noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik bei einer Partei gegeben hat. Dass diese Kanzlerpartei mit zahlreichen Korruptionsvorwürfen beschäftigt ist und die Grünen – immerhin die erste grüne Regierungsbeteiligung in der Geschichte der Zweiten Republik auf Bundesebene –, die Grünen damit beschäftigt sind, letztlich dieser kaputten ÖVP die Mauer zu machen aus Angst vor Neuwahlen.

Aber das sind letztlich die Gründe, warum in den letzten Monaten nicht das Richtige zum richtigen Zeitpunkt schon längst mit der richtigen politischen Entschlossenheit und Kraft passiert ist. Aber ich glaube, wir lassen das. Es ist schade um die Zeit, über diese Bundesregierung zu sprechen, weil eines sage ich euch: Diese Bundesregierung ist schon heute Geschichte. Wir reden über die Zukunft, liebe Freundinnen und Freunde.

Das ist unser Themenrat und wir reden über die Zukunft, wie wir sie uns für Österreich und für die Menschen in Österreich vorstellen. Jetzt haben wir eine aktuelle Situation mit einem schrecklichen Angriffskrieg mitten in Europa, in der Ukraine, und damit wurde das Problem der Energieversorgung für alle noch – schmerzhaft, muss man sagen – offensichtlicher. Durch diesen Krieg und seine Folgen wurde nicht nur ein Finger, nein, eine ganze Hand in die offene Wunde gelegt, die wir diesbezüglich in Europa haben.

Diese letzten Monate haben nämlich gezeigt, wie groß unsere Abhängigkeit ist – die Abhängigkeit von fossiler Energie, aber natürlich auch einseitig von einem Lieferanten, in dem Fall ist es Russland. Aber ich weiß auch nicht, was an Abu Dhabi menschenrechtlich so viel besser sein sollte. Das heißt, das Ziel muss natürlich sein, dass wir hier unabhängig werden. Das wurde aus den Worten und aus dem Vortrag von Südekum auch ganz klar.

Aus meiner und aus unserer Sicht muss eines jetzt klar sein: dass diese aktuelle Teuerungskrise, diese aktuelle Energiekrise spätestens jetzt Anlass sein muss, für uns alle in dieser Energiewende endlich mehr Tempo zu machen. Das muss jetzt der Anlass sein.

Machen wir es konkret. Ich habe das vor ein paar Monaten schon erläutert und sag es immer wieder: Wenn man die Klimaziele ernst nimmt, und wir tun das, dann muss man allein bis 2030 alle zwei Tage ein Windrad in Österreich aufstellen. Passiert es? Natürlich passiert es nicht. Ich glaube, heuer wurden vielleicht 20 aufgestellt. Damit werden wir die Ziele nicht erreichen. Wenn wir die Ziele ernst nehmen, dann müssen jedes Jahr bis 2030 230.000 Photovoltaikanlagen in der Größe eines Einfamilienhauses errichtet werden. Passiert natürlich auch nicht. Wir müssen die Infrastruktur in Österreich massiv verändern, das Stromnetz massiv ausbauen, damit grüne, erneuerbare Energie überhaupt funktionieren kann. Wir müssen die Digitalisierung in diesem Bereich extrem vorantreiben. Wir müssen viel, viel mehr über die Speicherung von erneuerbaren Energien wissen. Wir müssen daran forschen. Wir müssen darüber nachdenken. Wir müssen es auf den Boden bringen – Stichwort Wasserstoff-Strategie. Gibt es eine nationale Wasserstoff-Strategie? Nein, es gibt sie bis heute nicht. Und all das erfordert natürlich viel mehr Forschung, viel mehr Entwicklung, und das Entscheidendste, was es dazu braucht: Für diese ökologische Transformation wird es zusätzlich zehntausende Elektriker brauchen, zehntausende Installateure, Technikerinnen und Techniker. Das sind Leute, die es derzeit noch gar nicht am Arbeitsmarkt gibt. Und ich war in der Steiermark letztes Mal wandern mit Toni Lang und da haben wir alle Stahlgestelle auf den Hütten und auf den Häusern in der Steiermark, auf der Alm und sonst wo gesehen. Nur was nicht auf diesen Alukonstruktionen war, waren PV-Anlagen. Und die Erklärung war einerseits, weil die Paneele aus China fehlen, und zweitens, weil die Arbeitskräfte, die Installateure und Elektriker fehlen, um dieses Ding zu montieren. Na ja, so geht es auch nicht, wenn man sich das in das Regierungsprogramm schreibt und dann nichts dafür tut, dass die Ausbildung in diese Richtung gezielt betrieben wird.

Man muss auch die künftige Versorgung mit den notwendigen neuen Rohstoffen denken. Da geht es dann nicht mehr um Gas oder Öl. Da geht es um neue Rohstoffe, die wir brauchen. Für erneuerbare Energien, sei es Nickel, Cobalt, Mangan und wie die alle heißen. Ich bin keine Expertin. Noch nicht! Wir werden es alle sein. Sehr bald, liebe Freundinnen und Freunde. Aber dann müssen natürlich auch diese Versorgungssicherheiten überdacht werden, wie wir zu diesen Rohstoffen kommen, wie die Versorgung in Zukunft in den nächsten 10, 20, 30 Jahren diesbezüglich gesichert wird, dass wir nicht von einer Abhängigkeit in die nächste Abhängigkeit, in eine chinesische oder sonstige Abhängigkeit rutschen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir Rohstoffe einsparen können mit einer intelligenten Rohstoff-Recycling-Strategie.

Und dazu gibt es auch noch nichts in Österreich. Darüber hat sich auch noch niemand Gedanken gemacht. Das muss natürlich Schulter an Schulter mit der Wirtschaft und mit der Industrie passieren, dass wir hier als aktiver Staat eine Recycling-Strategie vorantreiben. Von all dem sind wir meilenweit entfernt. Und Südekum hat kürzlich in einem Interview, nicht heute, aber in einem Interview, das ich gelesen habe, gemeint: So, wie Corona ein Booster für die Digitalisierung war, ist dieser Krieg, so schrecklich er ist, ein Booster für die Energiewende. Er ist es nur dann, wenn wir es zum Booster machen, wenn ein aktiver Staat dahintersteht mit einer Entschlossenheit und sagt: Wir wollen, dass da was weitergeht.

Unterm Strich geht es darum, mehr Unabhängigkeit zu haben, die Versorgung zu sichern und die Leistbarkeit sicherzustellen und das ist die zentrale wirtschaftspolitische und die zentrale sozialpolitische Aufgabe zumindest des nächsten Jahrzehnts, wenn nicht noch viel länger. Wirtschaftspolitisch deswegen, weil es für Betriebe, insbesondere natürlich für die Industrie, eine so große Herausforderung darstellt, die ohne Kooperation mit einem Staat, mit den Rahmenbedingungen, die sie brauchen, gar nicht zu stemmen ist.

Ich glaube, es wurde auch erwähnt – und auch mir gegenüber sagen das viele aus der Industrie – sie können es alleine gar nicht. Sie hätten das Geld, sie hätten das “Know-how”, aber alleine geht das natürlich nicht. Aber sozialpolitisch ist es natürlich auch das zentrale Thema der nächsten Jahrzehnte, weil Zeiten von Transformation, wenn sie nicht begleitet werden, wenn sie nicht abgesichert werden, und das hat uns die Vergangenheit leider immer wieder gezeigt, so gut wie immer zu sozialen Verwerfungen in der Gesellschaft geführt haben.

Und daher muss die einzige Schlussfolgerung derzeit für uns alle sein, diese Wende nicht als lästige Notwendigkeit zu sehen, sondern als große Chance für uns alle zu begreifen. Liebe Freundinnen und Freunde: Als Chance für einen modernen, für einen wettbewerbsfähigen, innovativen Industriestandort. Das braucht es. Als Chance für die Schaffung neuer zehntausender Arbeitsplätze, als Chance für eine unabhängige, sichere und leistbare Energieversorgung, für die Menschen, die Haushalte, aber natürlich auch für die Betriebe.

Und ich muss euch sagen, ich habe in den letzten Monaten intensiv Gespräche geführt. Ich war in diesen zehn Monaten des heurigen Jahres intensiv mit Vertretern und Vertreterinnen der heimischen Industrie im Gespräch. Ich habe den Sommer dazu genutzt, direkt in die Betriebe zu gehen, in Oberösterreich, in der Steiermark, in Tirol und auch in Niederösterreich in Leitbetriebe vor Ort. Ich habe dort mit den Betriebsrätinnen und Betriebsräten, mit den Beschäftigten, aber auch mit den Unternehmensleitungen gesprochen, habe auch mit den Freundinnen und Freunden der Gewerkschaft viel über diese Fragen und die Herausforderungen der Zukunft gesprochen und ich kann euch sagen, bei all diesen Gesprächen – alle, egal ob du mit den Beschäftigten oder den CEOs oder den Unternehmensleitungen sprichst, alle erkennen eines: Sie erkennen die Alternativlosigkeit, sie erkennen die Notwendigkeit dieser Energiewende. Sie erkennen die Chance dieser Energiewende  für sich und die Beschäftigten, aber alle sehen auch eines: Sie sehen die Gefahr, was passieren kann, und das Risiko, wenn diese Wende nicht begleitet wird und ohne Strategie erfolgt.

Und nun? Nun kommt der Staat ins Spiel. Ihm kommt nämlich eine neue, eine wesentlich neue, moderne, aktivere Rolle zu als bisher aus meiner Sicht. Ein aktiver und entschlossener Staat, der den Anspruch hat, Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung für die Zukunft, für die Generationen, für unseren Standort, für die Menschen, für die Sicherheit. Ein Staat, der Impulsgeber ist, der sich nicht scheut, hier Impulse zu setzen, Ermöglicher zu sein, Motor einer neuen Entwicklung und einer Veränderung zu sein.

Aber auch ein Staat, der Sicherheit schafft für alle in unsicheren Zeiten. Weil Transformation heißt auch immer Unsicherheit, vor allem emotional gesehen. Denn man kann auch nicht erwarten, dass diese Umstellung alleine von Seiten der Industrie oder der Wirtschaft gestemmt wird. Dazu braucht es gesetzliche Grundlagen, Rahmenbedingungen, Umsetzungspläne für die öffentliche Infrastruktur dieses Landes. Es braucht Ausbildungsoffensiven für ganz spezielle Fachkräfte, die wir derzeit in der Zahl, wie wir sie nötig brauchen, nicht haben.

Es braucht viel mehr Kooperation mit Forschung, Wissenschaft, um am neuesten Stand der Technik zu sein und noch mehr, um darüber hinauszugehen. Das muss unser Anspruch sein und gerade vor diesem Hintergrund ist es so ein Irrsinn, was wir letzte Woche erleben mussten, was die Bundesregierung gerade finanziell und budgetär mit der Wissenschaft und Bildung in unserem Land anrichtet.

Und eines darf man nicht vergessen: Auch wenn es ein laufender Prozess ist, der in den nächsten Jahrzehnten vor uns liegt. Diese Wende ist unumkehrbar und deswegen haben wir auch keine zweite Chance. Deswegen muss ein aktiver Sozialstaat die Rahmenbedingungen schaffen, dass der Wohlstand unseres Landes und die soziale Sicherheit bestehen bleiben. Das heißt, der Sozialstaat muss mehr denn je Absicherung, Stärkung und Schutz für alle in dieser heiklen Phase bieten.

Und wenn der Staat diese Aufgabe gut wahrnimmt, dann ist die Transformation zweifelsohne eine Chance für mehr hochwertige Arbeitsplätze, für mehr Innovation, für mehr ökologische Nachhaltigkeit und für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Aber für diesen gemeinsamen Kraftakt der Erneuerung braucht es eben den berühmten Plan, den Plan und klare Ziele, oder wie Jens Südekum es genannt hat: Die Politik aus einem Guss. Und genau das wird heute von uns auf den Tisch gelegt, liebe Freundinnen und Freunde.

Die Energiewende soll nicht nur bewältigt werden, sie soll Potenzial erheben – und wir haben so viel Potenzial. Wir wollen in Österreichs Zukunft investieren, wir wollen den Startschuss für eine neue, moderne, kooperative Industriepolitik in Österreich geben. Eine moderne Industriepolitik, die die Wertschöpfung in Zukunftsbranchen lenkt, die dabei unterstützt und hilft, dass das passiert. Die den heimischen Unternehmen auch in Zukunft dabei hilft, in Marktnischen vorzudringen, die es in Zukunft mehr denn je braucht, und hier auch Marktführerschaft – auch europaweit, ja weltweit – zu erringen.

Es ist möglich. Es braucht auch eine Industriepolitik, die ökonomische Entwicklung, ökologische und soziale Verantwortung zusammen denkt, die das nicht als Widerspruch denkt. Das gehört zusammengedacht und gelebt und gestaltet.

Liebe Freundinnen und Freunde, dieses gemeinsame Verständnis, dass wir das brauchen, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen, auch das wird es brauchen. Die Politik, die Wirtschaft, die Industrie – denn sprechen wir es aus: Für viele Menschen sind es sehr schwere Zeiten, die in den nächsten Monaten, vor allem diesen Winter, auf sie zukommen. Ich treffe jetzt schon Menschen, die in kalten Wohnungen sitzen, weil sie Angst vor der nächsten Gas- und Stromrechnung haben, die erst Anfang des nächsten Jahres kommt. Aber sie haben jetzt schon Angst, denken voraus und drehen die Heizung nicht auf.

Ich treffe auch Unternehmerinnen und Unternehmer, die Angst haben vor ihren Rechnungen oder die sie schon bekommen haben, die teilweise 7- bis 8-mal so hoch ist wie die des Vorjahres. Und in wenigen Wochen wird Folgendes passieren: Da werden in Österreich Haushalte etwa doppelt so viel für Gas bezahlen wie deutsche Haushalte.

Da werden österreichische Unternehmen zwei- bis dreimal so viel bezahlen für Energie wie deutsche Unternehmen. Das ist nicht gut, nicht gut für die Bevölkerung in Österreich, für die Unternehmen, weil Deutschland richtigerweise bereits für Dezember einen nationalen Gaspreisdeckel mit Überbrückungshilfe eingeführt hat, weil sie verstanden haben, dass man die Hauptpreistreiber dieser Inflation natürlich an der Wurzel packen muss, nämlich die Gaspreise herunterbringen muss.

Das geht nur mit einem Eingriff in den Markt, mit einer Regulierung dieser Art, um hier die Gaspreise und damit auch die Inflation zu senken, um den Menschen und den Unternehmen das Überleben zu sichern. Und daher muss es auch jetzt, liebe Freundinnen und Freunde, in Österreich einen Gaspreisdeckel geben. Jetzt muss auch in Österreich endlich rasch geholfen werden: Die Energiepreise müssen runter.

Kurzfristig gedacht muss es so wie in Deutschland endlich einen Gaspreisdeckel geben, um die sozialen Verwerfungen in den nächsten Monaten zu verhindern, um zu verhindern, dass aus einer Energiekrise, einer Teuerungskrise, eine soziale Krise wird. Das darf sich nicht weiter verschärfen und es darf auch zu keiner Deindustrialisierung mit folgender Arbeitslosigkeit kommen, auch das gilt es zu verhindern. Aber wir alle wissen: Wenn die Bundesregierung weiter schläft, braucht es immer mehr Zeit und allein der Gaspreisdeckel braucht ein paar Monate, um eingeführt und umgesetzt zu werden. Die Not wird vorher da sein und daher braucht es schnell auch eine Überbrückungshilfe analog zum deutschen Modell. Eine sofortige Hilfe durch den Erlass einer Dezember-Gasrechnung. Das ist schnell machbar, das ist umsetzbar in Form einer Winterhilfe.

Ja, das ist eine Hilfe, die leider viele Menschen diesen Winter brauchen werden – dringend brauchen werden. Und ich darf euch alle und uns alle daran erinnern, dass während der Corona-Zeit vor wenigen Monaten, in dieser Krise, vielen Unternehmen dieses Landes mit Milliarden unter die Arme gegriffen wurde. Teilweise war nicht klar, warum wer wie viel bekommen hat und ich sage auch ganz klar: Es ist eine Frage der Gerechtigkeit.

Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass der Staat jetzt die Menschen, die unter dieser Teuerung und Energiekrise leiden und hier wirklich unter Druck geraten, in dieser schlimmsten Teuerung seit 70 Jahren nicht im Stich lässt. Dafür hat ein verantwortungsvoller Staat und eine Bundesregierung zu sorgen.

Der Gaspreisdeckel und diese Überbrückungshilfe, das ist nur einer von wichtigen zentralen Punkten, die wir im Rahmen dieser Wende kurz- und mittelfristig umsetzen wollen. Ein wesentlicher weiterer Punkt ist die schon erwähnte notwendige Steuerung. Diese öffentliche Steuerung, die es braucht, diese Koordinierung dieses extrem komplexen Veränderungsprozesses. Stichwort: Transformation unter einem Dach oder Politik aus einem Guss. Denn um die Energiewende gut und aktiv begleiten zu können, wird eben Geld alleine nicht reichen, so wie die Bundesregierung es glaubt, indem sie einfach Geld ins Budget unter die Transformationsüberschrift schreibt und dann wird sich das alles schon selbst regeln, steuern und koordinieren.

Nein, das passiert natürlich nicht. Geld alleine wird hier nicht reichen, denn diese Mittel müssen natürlich effizient und klug und zielorientiert eingesetzt werden. Dazu braucht es eine aktive Steuerung und dazu schlagen wir vor, dass es einen sogenannten Energiewendefonds gibt, einen Energiewendefonds, der unter dem Dach einer Energiewendeholding geschaffen wird. Aber da sollen keine neuen Strukturen geschaffen werden, weil das nicht gut ist.

Wir brauchen nichts Zusätzliches. Wir haben eine ÖBAG, die ja schon jetzt öffentlichen Besitz verwaltet, und die soll endlich zukunftsfit weiterentwickelt werden zu einer Energiewende-Holding und diese Aufgabe übernehmen.

Die Aufgaben sind ja sehr breit. Die reichen von Forschung und Entwicklung, strategischer Beteiligung, wie wir gehört haben – ein ganz wesentlicher Teil an neuen Aufgabenbereichen in dieser Aufgabenstellung. Natürlich auch die Absicherung der Zukunftsrohstoffreserven, eine Recycling-Strategie, wie wir sie brauchen, eine Ausbildungsoffensive, um die Arbeitskräfte der Zukunft zu haben. Zweiter oder noch ein wesentlicher Punkt ist natürlich der aktive Staat als strategischer Investor.

Ich glaube, die Krisen der letzten Jahre haben uns eines gezeigt: Wie wichtig ein starker Sozialstaat ist, wie wichtig öffentliche Daseinsvorsorge ist, und wie wichtig es ist, dass wir hier nicht abhängig sind von globalen Lieferketten und dergleichen. Da braucht es Sicherheit und das muss in Zukunft durch einen aktiven Staat im Bereich der Daseinsvorsorge jedenfalls abgesichert sein.

Das europäische Strompreis-System, ein weiterer Punkt in unseren Vorschlägen, muss grundlegend überarbeitet werden. Merit-Order ist out, Merit-Order muss beendet werden. Franz Schnabl, weil ich dich hier sehe: Du warst einer der Ersten, der das in die Diskussion eingeworfen hat. Ja, ein Strommarkt, der versagt, hat keine Existenzberechtigung mehr. Ein Strommarkt, der sich gegen die Menschen und die Wirtschaft richtet, hat keine Existenzberechtigung mehr.

Das ist ein wesentlicher letzter Punkt: Ein wettbewerbsfähiger, ein starker Industriestandort braucht natürlich bestausgebildete Arbeitskräfte und daher gilt es mehr denn je, massiv in die Bildung zu investieren. Massiv in die Ausbildung auf allen Ebenen zu investieren, in die Lehre, Umschulung, Weiterbildung, natürlich bis zum Hochschulstudium und insbesondere – das möchte ich an dieser Stelle schon hervorheben – auch und gerade im Bereich der elementaren Pädagogik.

Gerade in diesem Bereich ist es so wichtig, mehr denn je zu investieren. Das gibt nicht nur unseren Kindern mehr Chancen, es gibt auch für unsere Frauen in Österreich mehr Chancen – und dieses Potenzial sollten wir nicht liegenlassen, liebe Freundinnen und Freunde.

Liebe Freundinnen und Freunde, wir leben in einer historischen Phase größter Veränderungen, die alle Menschen betreffen, alle Bereiche betreffen von Ökologie bis Digitalisierung. Und nein, wir stehen nicht vor diesen Veränderungen. Wir sind mittendrinnen. Und Politik darf eines nicht: Sie darf in dieser Phase die Menschen nicht im Stich lassen. Sie muss handeln und nicht sagen: Das macht schon irgendwer, das wird schon gut gehen.

Transformation und Veränderung dürfen niemals chaotisch und sich selbst überlassen werden. Transformation muss demokratisch, transparent und geordnet mit einem klaren Plan gestaltet werden. Und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind willens, neue Wege aufzuzeigen, wie wir das heute tun, und – und das ist entscheidend: Wir sind auch willens, neue Wege zu gehen. Wir sind auch bereit, diese Transformation zu gestalten mit einem klaren Kompass: den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiver machen, die Wende schaffen und die soziale Sicherheit mit einem starken Sozialstaat garantieren.

Liebe Genossinnen und Genossen! Wer, wenn nicht wir, wissen, was die politischen Aufgaben in Zeiten großer Transformationen sind? Wer, wenn nicht wir? Denn wir sind die politische Bewegung, die ein Kind aus der ersten Industrialisierung ist, die genau in so einer Zeit der Transformation und der Veränderung damals überhaupt entstanden ist und daher wissen wir auch, wie groß das Elend und die Not sein können.

Und das war damals so, im 19. Jahrhundert. Einfache Handwerker, die auf der Strecke geblieben sind, in der Industrialisierung. Überflüssig gewordene Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft. Zehntausende Frauen, Kinder und Männer aus der Heimarbeit, die nicht mehr wussten, wie sie ihr Leben damals finanzieren. Und es waren genau diese sozialen Verwerfungen des 19. Jahrhunderts, die zur Gründung der Arbeiter*innenbewegung geführt haben und deshalb haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten niemals vor großen gesellschaftspolitischen Veränderungen und Aufgaben resigniert.

Im Gegenteil, wir haben diese Krisen und Aufgaben immer als Herausforderung und viel mehr noch als einen großen politischen Auftrag an uns gesehen. Als Auftrag gesehen, die soziale Sicherheit zu stärken und den Wohlstand gerecht zu verteilen. Und wir haben diese Krisen auch als Chance gesehen und genutzt, als Chance verstanden, die Gesellschaft nicht nur zu schützen, sondern auch weiterzubringen und das Land weiterzubringen, die Gesellschaft weiterzuentwickeln.

Und diese heutige Resolution, liebe Freundinnen und Freunde, ist Ausdruck einer sozialdemokratischen Gewissheit, dass die Potenziale großer Transformationen nur gemeinsam gehoben werden können. Mutig, aber immer auch – und das ist entscheidend – solidarisch.

Lasst mich jetzt zum Abschluss noch eines sagen: Der Weg in eine erfolgreiche ökologische Wende kann nur über eine politische Wende führen. Eine politische Wende in unserem Land. Eine notwendige politische Wende, damit Österreich endlich wieder ein Land mit einer Spitze der Bundesregierung mit anständiger, sauberer Politik wird.

Ein Land, in dem soziale Gerechtigkeit mehr als nur ein Schlagwort in Regierungsprogrammen ist. Ein Land, in dem die Demokratie und ihre Institutionen wieder respektiert und geachtet werden. In dem die Menschenrechte nicht in Frage gestellt werden. Eine politische Wende, damit die Menschen wieder an ihre Zukunft glauben. Eine politische Wende, damit die Menschen auch wieder der Politik vertrauen können.

Nur so wird eine ökologische Wende gelingen. Arbeiten wir gemeinsam daran – oder anders gesagt: Mutig in den neuen Zeiten! Freundschaft und Glück auf, liebe Freundinnen und Freunde!